Kleidung als Ausdruck von Integration und Toleranz

Vor zwei Jahren entscheiden sich Pia Brillen und Michael Kortenbrede, ein Start-up zu gründen, das mit Mode zur Integration von Geflüchteten beiträgt. Schnell finden sie ein geflüchtetes Schneider-Pärchen, Mohammad Ali Alnamous und Ilham Hasan, das von dieser Idee begeistert ist und sie bei dem Projekt unterstützen möchte. Zusammen mit fünf weiteren ehrenamtlichen Teammitgliedern designen und verkaufen sie seit März 2017 unter der Marke „Bayti Hier“ Mode und Accessoires, die westliche und arabische Stile vereinen. Wir haben uns mit dem Team des Start-ups über das Projekt, Crowdfunding und ihre nächsten Schritte unterhalten.

 

SSP: Wieso habt ihr euch dazu entschieden, neben dem Studium zu gründen?

Michael: Jetzt haben wir die beste Möglichkeit dazu. Wir sind noch nicht in festen Arbeitsverhältnissen, können uns noch ein bisschen ausprobieren und Erfahrungen sammeln, ohne mal eben alles andere abbrechen zu müssen. Wir haben noch die Zeit, sind jung und kommen auch mal mit weniger Schlaf aus. Wenn das Projekt schief gehen sollte, verlieren wir nur unsere Ersparnisse, die wir bisher in das Projekt gesteckt haben.

Klappt bei uns mal etwas nicht wie gedacht, wird das von anderen schnell als jugendlicher Leichtsinn abgetan und uns leicht verziehen.

Außerdem fällt es im Studium nicht schwer, sich mit anderen interessierten und engagierten Menschen vernetzen, die Lust haben, an einem Projekt teilzuhaben. Womöglich kann man schon zu Beginn des Projekts einen Dozenten dafür begeistern, der einem dann auch wieder ganz andere Türen öffnet.

 

SSP: Ihr habt eure Startnext Crowdfunding-Kampagne im November erfolgreich abgeschlossen. Wie viel Geld ist letztendlich zusammengekommen und wofür werdet ihr das Geld verwenden?

Michael: Für uns ist vor allem erst einmal wichtig, sicherzustellen, dass wir Ilham und Mohammad Ali ihren Lohn zahlen können. Läuft es weiter wie im Moment, müssen wir dafür aber nicht auf das Geld aus dem Crowdfunding zurückgreifen. Durch die Kampagne hat unser Projekt eine Menge Aufmerksamkeit bekommen. Die kann aber ganz schnell wieder nachlassen. Das sehen wir auch an unserem Online-Shop. Steht ein Bericht über uns in der Zeitung, ist unser Online-Shop sehr gut besucht. Nach der Veröffentlichung, fallen die Besucherzahlen schnell wieder. Deswegen werden wir jetzt mit dem Geld aus der Kampagne auch Onlinemarketing ausprobieren, um zu sehen, ob das die Besucherzahlen dauerhaft aufrecht erhält und sich diese Investition rechnet. Gleichzeitig bietet uns das Geld die Möglichkeit, unser Projekt zu professionalisieren und weiter an der Produktqualität zu arbeiten, unseren geplanten Pop-Up-Store fertig zu stellen und die Marke zu stärken.

Henrike: Das Geld gibt uns auf jeden Fall erst einmal die Möglichkeit, uns weiter auszuprobieren.

Michael: Wir würden neben der deutsch-arabischen Kollektion gerne noch andere herausbringen, zum Beispiel eine deutsch-afrikanische Kollektion. Dazu bräuchten wir aber auch eine neue Marke, denn „Bayti“ ist schließlich arabisch. Und dann bräuchten wir auch noch eine Dachmarke. Für eine Ausweitung unserer Idee müssten wir also noch einmal in einen intensiven Branding-Prozess gehen, an dessen Ende ein Konzept steht, das sich einmal durch alle Marken zieht. Von einem anderen Start-up aus Münster haben wir den Rat bekommen, das direkt professionell machen zu lassen. Das kostet dann aber auch eine Menge Geld.

 

Die Geflüchteten Ilham und Mohammad Ali können bei Bayti Hier endlich wieder ihrem alten Beruf nachgehen. (Foto: Isabel Schmiedel)

SSP: Ihr plant einen Pop-up Store?

Michael: Wir wollen einen Bauwagen in einen kleinen Laden umfunktionieren und mit ihm an verschiedenen Standorten unsere Sachen verkaufen. Der Laden soll aber nicht jeden Tag geöffnet sein, sondern nur an bestimmten Tagen in der Woche und zu Events. Ganz genau wissen wir das aber noch nicht, da der Wagen erst im Frühjahr fertig wird. Der Bauwagen soll nicht nur ein Laden, sondern auch eine Begegnungsstätte werden. Im Sommer können wir uns mit dem Bauwagen irgendwo hinstellen, Grillevents oder ähnliches anbieten und so den kulturellen Austausch fördern. Die Wirkung wäre natürlich größer, wenn es solche Bauwagen auch in anderen Städten gäbe. Jetzt ist aber erst einmal wichtig, dass unser Bauwagen hier in Münster läuft, und dann können wir uns damit beschäftigen, ob das Konzept auch skalierbar ist.

 

SSP: Auf welche Zielgruppe habt ihr eure Crowdfunding-Kampagne hauptsächlich ausgerichtet?

Henrike: Wir haben versucht, sowohl junge Leute als auch Unternehmen anzusprechen. Uns war wichtig, „Dankeschöns“, also Artikel, die unsere Unterstützer für einen bestimmten Spendenbetrag erhalten haben, für beide Zielgruppen auf unterschiedlichen Preisniveaus anzubieten.

Michael: Das meiste Geld kommt natürlich von älteren Leuten. Manchmal kommt auch ein großer Betrag von sogenannten Business Angels, die ein Projekt sehen und sagen: „Ok, hier stecke ich jetzt 5.000€ rein.“ Studierende haben natürlich nicht so viel Geld. Bei unseren an Studierende gerichteten Events im Rahmen der Kampagne ging es uns daher eher darum, die Marke bekannter zu machen und zu kräftigen. Wir wissen ja selber, dass das Geld im Studium nicht so locker sitzt. Das „große Geld“ holt man immer eher aus Netzwerken oder auch aus der Familie. Die Zusammensetzung der Beiträge zu unserem Crowdfunding hat uns gezeigt, dass die verschiedensten Leute unser Projekt unterstützenswert finden. Zwar hatten wir nicht den „einen“ großen Geldgeber, dafür aber viele kleine.

 

SSP: Wie habt ihr Partner gefunden, die euch dabei geholfen haben, auf eure Crowdfunding-Kampagne aufmerksam zu machen?

Michael: Wir haben einen E-Mail Verteiler mit über 300 Kontakten angelegt und über den eine Nacht lang nur Mails an VIPs, Unternehmen, Influencer und Gastronomen in Münster versendet. Für jeden haben wir ein individuelles Anschreiben verfasst, in dem wir von unserem Projekt und unserer Kampagne berichtet haben. Influencer haben wir um Posts über uns gebeten. Unternehmen wollten wir auf die Kampagne hinweisen und sie zu Spenden animieren. Den Gastronomen haben wir geschrieben, dass wir es cool fänden, im Rahmen der Kampagne ein Event mit ihnen auf die Beine zu stellen. Darauf haben sich erstaunlich viele gemeldet. So viele, dass wir im November gar nicht mit jedem ein Event veranstalten konnten. Da wird dann sicher auch in Zukunft noch was kommen.

 

SSP: Denkt ihr auch noch über andere Wege zur Finanzierung eures Projekts nach?

Michael: Für Banken ist unser Projekt erst spannend, wenn es skalierbar wird. Bleibt es, wie jetzt, bei deutsch-arabischer Mode und einem Vertrieb über unseren Online-Shop und einen einzelnen Pop-Up Store, können wir so weitermachen wie bisher. Wenn wir aber weltweit DIE starke Marke für Offenheit und Toleranz werden und alle westlichen Stile mit allen möglichen Stilen anderer Kulturen vereinen wollen, werden wir das ohne Investor nicht schaffen. Aber das wird sich erst zeigen. Wenn der Bauwagen überrannt wird und der Online-Shop wächst, bis es irgendwann zu dem Punkt kommt, an dem wir sagen: „Ok, jetzt brauchen wir einen Investor und bringen hier richtig Dampf rein“, dann wird dieser Schritt notwendig sein, um auch mit anderen Modeherstellern mithalten zu können. Viele haben uns im Vorfeld gesagt: „Ihr könnt nicht in den Modemarkt, der ist viel zu umkämpft. Da könnt ihr nicht mithalten.“ Aber wenn wir uns an diese Ratschläge gehalten hätten, hätten wir bis heute gar nichts erreicht.

Teil eins unseres Gesprächs: https://semesterspiegel.de/wir-haben-wahrscheinlich-schon-mehr-erreicht-als-wir-wissen/

Mehr Infos zu Bayti Hier: www.bayti-hier.de

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